Bitzen in Zeiten ohne Klopapier

Auszug aus „Geschichten aus Bitzen“

Fast alle Häuser hatten eine kleine Landwirtschaft. Es wurden Hühner, Schweine, Schafe, Ziegen, vielleicht sogar Kühe gehalten. Manchmal waren es nur Hühner, manchmal auch Schweine oder Ziegen dazu, manchmal Kühe. Für Kühe aber musste man schon etwas mehr Land besitzen, so dass man die Kühe zum Grasen auf die Wiesen treiben konnte und für den Winter Heu ernten. Weil alles Vieh Mist macht, braucht man in jedem Hof eine „Miste“. Praktischerweise lag sie direkt am Stall. Hier wurden die Schubkarren mit der Stroh-Mist-Mischungen abgeladen. Alles Flüssige daraus konnte absickern in die Bröhkoul. Das Ergebnis daraus war eine gut vergorene braungrüne Flüssigkeit, die im Frühjahr als Flüssigdünger auf die Felder aufgebracht wurde. Direkt an der Miste war auch das Klo für die Menschen. Das nannte man damals „Abtritt“.

An all das konnte mich gut erinnern. An das etwas raue Holz und das runde Loch und an den großen gebogenen Nagel, auf dem das Klopapier aufgespießt war. Ich hatte nämlich meinem OpaHeinrich schon einmal geholfen, Klopapier zu rimmeln. Wenn OpaHeinrich die Rheinzeitung gelesen hatte, riss er alle Seiten in vier gleich große Teile.
Um den Bobbes damit abzuputzen, war das Papier zu glatt, so erklärte mir OpaHeinrich. Man musste es, wie beim Sockenwaschen zwischen den Handballen von linker und rechter Hand hin und her reiben. Opa zeigte mir, wie man das macht, ohne das Papier zu zerreißen. So wurde die Oberfläche stumpf und weich. Opa machte dann ein Loch in eine Ecke und fädelte die geknautschten Papierstücke auf einen zum Hacken gebogenen großen Nagel.
Wie alle Abtritte war auch unserer mannshoch. Vorne war eine Tür. Unsere war ohne Guckloch in Augenhöhe. Durch die hätte man sehen können, ob da schon jemand drin saß. Unsere Tür hatte einen Riegel zum Verschließen. Für mich war das sowieso egal. Ich war zu klein, sowohl, um durchzusehen als auch zu verriegeln. Wenn ich es auf das Brett geschafft hatte, brauchte ich alle meine Konzentration, um über dem großen Loch zu balancieren. Wäre ich erwachsen gewesen, hätte ich mich einfach mit beiden abgewinkelten Beinen auf dem Boden stabilisieren können – meine Beine baumelten in der Luft. Mit beiden Händen hielt ich mich an der Bretterkante fest, um nicht nach hinten in das Loch und – so stellte ich mir vor – in die dunkle Brühe zu fallen, die man weniger sehen als riechen konnte.
Zum Glück war das Sitzbrett durch eine weitere senkrechte Bretterwand abgestützt. Das war ganz praktisch. Es verhinderte, dass die Waden bespritzt würden, wenn „das Geschäft“ mit Verzögerung und einem lauten Platsch in die Bröhkoul fiel.
Wenn ich dann nach rechts zum gekrümmten Nagel reichen wollte, um die gerimmelte Rheinzeitung abzureißen, wurde es echt schwierig. Ich musste mich nach vorne beugen, hatte nur noch eine Hand um mich festzuhalten.
Jetzt runter hüpfen, die Unterhose hoch ziehen, fertig!

Anmerkung der Verfasserin:
Ausgelesene Zeitung als Klopapier benutzen ist nur gut, wenn man auf ein Plumsklo geht. Unsere innhäusigen Toiletten mit Wasserspülung würden verstopfen.

Bild und Text: Sigrid Vollstedt